Steuern und Lärm bedrohen die Clubs
Berliner Clubcommission zu Abgaben: DJs sind KünstlerIst es ein Konzert, wenn ein DJ auflegt? In Berlin gibt es gerade eine Steuerdebatte um das Nachtleben. Das »Clubsterben« aber hat andere Ursachen als das Finanzamt, sagt ein Kenner der Materie.
Steuerprobleme im Nachtleben der Hauptstadt machen derzeit Schlagzeilen. Der Dachverband der Berliner Clubs plädiert in diesem Zusammenhang dafür, dass DJs noch mehr als Künstler anerkannt werden. »Da sind die Gerichte gefragt«, sagte Olaf Möller (43), Chef der Clubcommission.
Der Hintergrund: Gilt ein Abend als Party oder Tanzveranstaltung, werden die Einnahmen an der Tür mit 19 Prozent Umsatzsteuer belegt. Für Konzerte und Theater, die so als Kunst vom Staat gefördert werden, gilt hingegen der ermäßigte Satz von sieben Prozent.
Das kann zu Rückzahlungsforderungen des Finanzamts führen, wenn die Steuerprüfer bei Clubs eine falsche Kategorie sehen. Laut Möller ist dies nicht neu, sondern wurde durch aktuelle Medienberichte öffentlich. Es gehe nicht darum, dass jetzt die Berliner Kassen leer seien und gefüllt werden müssten.
Möller kritisiert jedoch, dass keine einheitlichen Linien bei der Besteuerung angewandt würden. Er spitzt das so zu: Wenn DJ Paul Kalkbrenner im Club »Berghain« auflegt, wären vielleicht 19 Prozent des Eintrittsgeldes fällig, im Theater des Westens sieben Prozent. Es gebe bereits das wegweisende »Mayday«-Urteil des Bundesfinanzhofs von 2005, betont Möller. Eine Techno-Veranstaltung kann demnach ein Konzert sein, Plattenteller und Mischpult können als Instrumente verstanden werden. Bloßes Abspielen eines Tonträgers reicht aber nicht. Möller rät den Clubs, rechtlichen Einspruch zu erheben, wenn sie sich für Konzertabende falsch besteuert sehen. Oder sie sollten lieber den höheren Satz zahlen und später den niedrigeren einfordern.
Richtig gefährdet seien die Clubs aber nicht durch das Finanzamt, sondern durch den städtischen Wandel in Berlin, sagt Möller. Stichwort Gentrifizierung: Viertel werden nobler, aus Mischvierteln Wohngegenden. Lärmklagen und »Ämter-Wirr-Warr« machen laut Möller den Clubs zu schaffen. Vor fünf Jahren wurde die Anzahl der Tanz-Adressen noch auf 250 bis 300 geschätzt, heute auf 200. »Aktuell sind 15 Clubs von der Schließung bedroht.« Das Berliner Nachtleben mit Flaggschiffen wie »Berghain«, »Weekend« und »Cookies« gilt als wichtiger Tourismus- und Wirtschaftsfaktor. 8000 Arbeitsplätze hingen am Nachtleben, sagt Möller.
Die Finanzverwaltung äußert sich wegen des Steuergeheimnisses nicht zu laufenden Verfahren. »Die Unterscheidung zwischen Party- und Tanzveranstaltung auf der einen Seite und Konzertveranstaltung auf der anderen Seite ist stets auf den Einzelfall bezogen. So auch in Berlin«, teilt ein Sprecher mit.
Eintrag vom: 17.10.2011