BMI: Vorträge: Techno zwischen Stadtpolitik und Arbeitswelt ? Archiv für Jugendkulturen
Ein weiterer Seminartag rund um Techno-Kultur findet am 18.11.2011 von 11-18 Uhr am Archiv für Jugendkulturen statt. In drei knackigen Vorträgen und Diskussionen geht es um die politischen Dimensionen der Techno-Kultur, eine Soziologie der Praxis der Musikproduktion und ihrer szenespezifischen sozioökonomischen Bedingungen und die Frage, inwiefern sich politisches Streben immer auch schon in der Flyerkultur der Technoiden gezeigt hat. Pünktlich um 11 gehts los, der Eintritt ist kostenlos. Weitersagen, weiterleiten und dabei sein !11:00 ? 13:15 Uhr: ?Resistance through Rituals? oder
?Friede, Freude, Eierkuchen??
Techno zwischen Hedonismus und Protest (Max Lill)
14:00 ? 16:00 Uhr: Die Produktion elektronischer Tanzmusik in
Homerecording-Studios (Jan-Michael Kühn)
16:15 ? 18:00 Uhr: Flyerkultur und die Politik der Stadt (Mike Riemel)
Die Veranstaltung ist kostenlos, aber es wird um eine Anmeldung per Email gebeten: archiv AT jugendkulturen.de. Beginn: 11 Uhr pünktlich bis 18 Uhr, Ort: Archiv der Jugendkulturen, Fidicinstr. 3, 10965 Berlin ? weitere Info: Archiv fürJugendkulturen e.V.
?Resistance through Rituals? oder ?Friede, Freude, Eierkuchen?? ? Techno zwischen Hedonismus und Protest (Max Lill)
Techno gilt in öffentlichen und sozialwissenschaftlichen Debatten meist als unpolitische Spaßkultur, in der weder soziale Ungleichheitsverhältnisse, noch weltanschauliche Ideologien länger von Bedeutung seien. Doch wer in Berlin dieser Tage Demonstrationen gegen Gentrifizierung, Naziaufmärsche oder Atomkraft besucht, stellt dagegen fest: Techno bildet zurzeit die dominierende musikalische Untermalung politisch links orientierter Proteste.
Wird Techno damit politisiert? Oder werden die sozialen Bewegungen durch Techno entpolitisiert? War Hedonismus vielleicht schon immer (latent) politisch ? eine Absage an die herrschende Ethik der Enthaltsamkeit, Konformität und Disziplin? Oder ist der Eskapismus des Techno nur eine freundliche Maske für die Gleichgültigkeit in Zeiten von Neoliberalismus und Krise?
Die TeilnehmerInnen des Workshops erhalten einen Einblick in die soziologische Debatte um die Frage, inwieweit Techno-Kulturen politisch relevant sein können. Ausgehend von aktuellen Verschränkungen zwischen stadtpolitischem Protest und Techno-Subkulturen in Berlin sollen unterschiedliche Deutungen zum Verhältnis von Hedonismus und sozialer Bewegungspraxis erläutert und zur Diskussion gestellt werden. Auf dieser Grundlage soll eine Debatte um die Rolle von Techno-Kulturen im Kontext von Individualisierung, Subjektivierung und sozialer Polarisierung angeregt werden.
Die Produktion elektronischer Tanzmusik in Homerecording-Studios (Jan-Michael Kühn)
Der Referent stellt in seinem Beitrag sein Modell der konstellativen Produktionspraxis von elektronischer Tanzmusik vor, welches er im Rahmen seiner Doktorarbeit zu Musikproduktion und Arbeitsverhältnissen in der Technoszene entwickelt hat. Es soll gezeigt werden, dass die Musikproduktion sich aus der Konstellation dreier Komponenten verstanden werden kann: Erstens, die subjektiven Dimensionen schaffenden Handelns ermöglichen mit ihren Eigenschaften der Orientierung, Gestaltung, Realisierung, Trial-and-Error und Flow ein Aufeinanderbeziehen der Komponenten in einer institutionalisierten Produktionspraxis. Zweitens, Musiktechnologien in Homerecording-Studios ermöglichen das Erschaffen spezifischer Klangdimensionen in einer Organisationsform, die es Einzelnen ermöglicht in Homerecording-Studios musikalische Werke zur Zufriedenheit großer musikalischer Öffentlichkeiten zu schaffen. Drittens, ermöglichen die individualisierten und pluralisierten Kulturen und Märkte elektronischer Tanzmusik in Szenen und Szeneökonomien mit ihren spezifischen Eigenschaften der Sinnstiftung, Anreizen und Trägheit die Produktion und Reproduktion von Wissenspools, Kontinuität, Anschlussmöglichkeiten, wirtschaftlichen Verwertungsrahmen, Infrastrukturen, verführerischer Vergemeinschaftung, usw. Vor allem dieser letzte Punkt soll ausführlicher beleuchtet werden, da hier die sozialen und ökonomischen Bedingungen, die die Produktion und den Konsum von elektronischer Musik (und damit auch die Musik selbst) entscheidend mitprägen, von zentraler Bedeutung sind
Flyerkultur und die Politik der Stadt (Mike Riemel)
Flyerkultur hat seit ihrem massenweisen Gebrauch Ende der 80er Jahre immer auch den Aspekt des subversiven, illegalen und politischen transportiert.
Gerade in Berlin mit seinen vielen illegalen Clubs war es wichtig, dass nicht die ?falschen? Leute die Informationen erhalten. Seit die Stadt modernisiert wird und der Wegfall von Freiräumen zu vielen kommerziellen Veranstaltungen führte, gibt es eine starke Gegenbewegung, die sich wiederum in den Flyern spiegelt. Die Einladungspolitik eines Clubs ist nach wie vor der entscheidende Erfolgsfaktor. Denn nur ein gutes Publikum macht einen guten Abend aus.
Referenteninfo:
Jan-Michael Kühn ist Soziologe und promoviert an der Technischen Universität Berlin u?ber Erwerbsarbeit-Strukturen in der Berliner Techno-Szene. Er ist seit 2005 regelmäßig in Berliner Clubs als DJ "Fresh Meat" unterwegs, produziert Techno-TV-Sendungen mit dem "Berlin Mitte Institut fu?r Bessere Elektronische Musik" und arbeitet freiberuflich als Booker für verschiedene Veranstalter. http://www.berlin-mitte-institut.de/
Max Lill studierte bis 2010 Politikwissenschaften und Geographie auf Lehramt an der Freien Universität Berlin. Parallel engagierte er sich ehrenamtlich im Rahmen des globalisierungskritischen Netzwerks attac und war unter anderem als Gitarrenlehrer tätig. Seine in Kürze beim ?Archiv der Jugendkulturen? erscheinende Abschlussarbeit schrieb er über die Bedeutung von Musik in den Protestkulturen der 1960er Jahre. Zurzeit arbeitet er als Redaktionsmitarbeiter bei der Mitgliederzeitschrift der GEW-Hamburg ?hlz?, sowie als freier Autor und in der politischen Bildungsarbeit. Er ist Mitglied von ?reflect! ? Assoziation für politische Bildung und Gesellschaftsforschung?.
Mike Riemel (Jhg. 67) hat BWL studiert um als freier Medien- und Kulturmanager in Berlin zu leben und zu arbeiten. Ob als Betreiber eines Internetradios (Klubradio) oder als Produzentengalerist (Foto-Shop), immer steht die Freiheit des Mediums im Vordergrund. Seit 1998 arbeitet er am Sammel- und Ausstellungsprojekt Flyer Soziotope zu dem 2005 im Archiv der Jugendkulturen eine umfassende Publikation erschien. http://www.flyersoziotope.net/
Eintrag vom: 14.11.2011